Außerkapazitäre Hochschulzulassung in Studiengängen mit Numerus Clausus

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Aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Grundgesetz) ergibt sich, dass jeder Deutsche das Recht auf freien Zugang zu Bildung und damit auch zu Hochschulausbildungen hat. Voraussetzung ist, dass die entsprechende Qualifikation (meist Hochschulreife / Abitur) erlangt wird.

Übersteigt die Nachfrage nach Studienplätzen in einem Studienfach die angebotene Kapazität (Numerus Clausus), so können aber Zulassungsbeschränkungen festgesetzt werden. Diese führen dazu, dass nur Studienplatzbewerber (sogleich) einen Studienplatz in dem betroffenen Fach erhalten, die bestimmte Voraussetzungen (i.d.R. zunächst entscheidend: Durchschnittsnote im Abitur) erfüllen. Es wird dann eine Rangfolge der Bewerber gebildet nach der die verfügbaren Plätze vergeben werden.

Ein Numerus Clausus ist nur dann mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn die vorhandene Kapazität vollständig ausgenutzt wird.

Diese wird für jedes Studienfach und jedes Studienjahr neu errechnet und meist durch die jeweilige Universität, in einigen Bundesländern aber auch durch das jeweilige Land festgesetzt.

Bei einer fehlerhaften Kapazitätsberechnung besteht die Möglichkeit trotz Ablehnung den begehrten Studienplatz zu erlangen. Wird der Studienplatz durch die Hochschule selbst vergeben und erhält man eine Ablehnung, so muss fristgerecht Widerspruch eingelegt und einen Eilantrag beim zuständigen Verwaltungsgericht gestellt werden. Dort wird dann u.a. geprüft, ob die Berechnungen der Hochschule korrekt waren. Falls nicht werden zusätzliche Studienplätze an die Bewerber vergeben, die ihre Nichtberücksichtigung angegriffen haben. Deren Zahl ist meist höher, so dass es infolge des gerichtlichen Verfahrens zu einer Losvergabe der zusätzlichen Plätze kommt.

In einigen Bundesländern ist die Einleitung eines solchen Studienplatzklageverfahrens fristgebunden.

Auch die Kapazitätsberechnungen der Verwaltungsgerichte in solchen Verfahren können sich als fehlerhaft erweisen.

Im Jahr 2011 stellte so z.B. der Verfassungsgerichtshof Berlin (Beschluss vom 20.12.2011, 28/11, 28 A/11, 29/11, 29 A/11) fest, dass die Kapazitätsermittlung für den Bachelorstudiengang Psychologie für die Hochschulen im Land Berlin entgegen den vorausgegangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin und des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg gegen das Recht auf effektiven Rechtsschutz und das Recht auf freie Wahl des Berufs und der Ausbildungsstätte verstieß.

In dem Verfahren ging es um die Vergabe von Studienplätzen im neu eingeführten Studiengang „Bachelor of Science Psychologie“.

Der Verfassungsgerichtshof entschied, dass eine Beschränkung der Zulassung zum Hochschulstudium nach §§ 2 und 3 des Gesetzes über die Zulassung zu den Hochschulen des Landes Berlin zu zulassungsbeschränkten Studiengängen nur ausnahmsweise für einzelne Studiengänge erfolgen darf. Dafür müssen alle gesetzlich normierten Voraussetzungen vorliegen und müssen die Zulassungszahlen für die maximale Zahl der aufzunehmenden Studienbewerber durch Satzung der Hochschule oder Verordnung der für Wissenschaft zuständigen Senatsverwaltung förmlich festgesetzt werden.

In dem betroffenen Studiengang hatte das Verwaltungsgericht Berlin u.a. Gruppengrößen und damit den kapazitätsbestimmenden sog. Curricularnomwert selbst festgesetzt, was vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erachtet wurde.

Aus der Entscheidung ergibt sich, dass Ablehnungsbescheide der Hochschulen immer sorgfältig überprüft werden sollten, insbesondere auch dahingehend, ob es eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Kapazitätsfestsetzung gibt.

Hier die maßgebliche Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs von Berlin vom 20.l12.2011:

Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin

Beschluss vom 20.12.2011

Aktenzeichen: 28/11, 28 A/11, 29/11, 29 A/11

Leitsatz

Die Verwaltungsgerichte sind in Numerus-clausus-Eilverfahren nicht befugt, einen entgegen Landesrecht nicht durch Rechtsverordnung festgesetzten Curricularnormwert (hier: für den Bachelorstudiengang Psychologie) durch eigene Berechnungen des Lehraufwands zu ersetzen.

...

Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Januar 2011 – OVG 5 NC 53.10 und 51.10 - verletzen die Beschwerdeführerinnen in ihren Grundrechten aus Art. 15 Abs. 4 Satz 1 VvB sowie aus Art. 17 VvB i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Satz 2 VvB und Art. 10 Abs. 1 VvB. Sie werden aufgehoben. Die Sachen werden an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen. Damit erledigen sich die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen. Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2011 - OVG 5 RC 3.11 und 1.11 - sind gegenstandslos. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Das Land Berlin hat den Beschwerdeführerinnen ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

I.

Mit ihren Verfassungsbeschwerden wenden sich die Beschwerdeführerinnen gegen die Ablehnung ihrer vorläufigen Hochschulzulassung außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl zum Wintersemester 2009/2010 für den neu eingeführten Studiengang „Bachelor of Science Psychologie“ durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg.

1. Für die Beschränkung der Zulassung an den Berliner Hochschulen im Wintersemester 2009/2010 galten u.a. folgende Bestimmungen des Gesetzes über die Zulassung zu den Hochschulen des Landes Berlin in zulassungsbeschränkten Studiengängen (in der damals anzuwendenden Fassung vom 22. Oktober 2008 (GVBl. S. 294) - BerlHZG -):

§ 1 Anwendungsbereich

Dieses Gesetz und der Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen vom 22. Juni 2006 (GVBl. S. 198) (Staatsvertrag) regeln die Studienplatzvergabe in allen zulassungsbeschränkten Studiengängen der staatlichen Hochschulen des Landes Berlin.

§ 2 Zulassungsbeschränkungen

(1) Die Zulassung zum Studium an den Hochschulen des Landes Berlin kann für einzelne Studiengänge durch Festsetzung der Zahl der von der einzelnen Hochschule höchstens aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber in einem Studiengang (Zulassungszahl) nach Maßgabe dieses Gesetzes und des Staatsvertrages beschränkt werden.

(1a) In Studiengängen, die nicht in das Verfahren der Zentralstelle einbezogen sind, gilt bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung Artikel 7 des Staatsvertrags entsprechend.

(2) Zulassungszahlen sind festzusetzen, wenn die nach den Bestimmungen der Kapazitätsverordnung vom 10. Mai 1994 (GVBl. S. 186), zuletzt geändert durch Verordnung vom 11. März 2004 (GVBl. S. 119), in der jeweils geltenden Fassung ermittelten Aufnahmequoten für einen Studiengang im ersten Fachsemester zu den letzten beiden Zulassungsterminen durch die tatsächlich erfolgten Einschreibungen deutlich überschritten wurden oder die ordnungsgemäße Ausbildung der Studierenden nicht mehr gewährleistet werden kann.

§ 3 Festsetzung der Zulassungszahl

(1) Die Zulassungszahlen für die Studiengänge werden vom Akademischen Senat der Hochschule, für die Studiengänge der Charité - Universitätsmedizin Berlin vom Medizinsenat, durch Satzung festgesetzt. Sofern die Hochschule in Fachbereiche, Fakultäten oder Abteilungen gegliedert ist, erfolgt die Festsetzung im Benehmen mit dem Fachbereich, der Fakultät oder der Abteilung, in dem oder in der der betreffende Studiengang angeboten wird. Die Zulassungszahl kann von der für die Hochschulen zuständigen Senatsverwaltung durch Rechtsverordnung festgesetzt werden, wenn nach Aufforderung durch die Senatsverwaltung innerhalb einer von dieser gesetzten angemessenen Frist die Zulassungszahl für einen bestimmten Studiengang nicht nach Satz 1 festgesetzt wird.

(2) Die Satzung der Hochschule gemäß Absatz 1 Satz 1 bedarf der Bestätigung der für die Hochschulen zuständigen Senatsverwaltung. Dem Antrag auf Bestätigung der Satzung ist der gemäß Artikel 7 Abs. 4 des Staatsvertrages geforderte Bericht beizufügen. Das Bestätigungsverfahren erstreckt sich auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit und der Zweckmäßigkeit der Satzung.

(3) Wird die Satzung nicht gemäß Absatz 2 bestätigt, so ist der Hochschule eine angemessene Frist zu setzen, der Beanstandung Rechnung zu tragen. Kommt der Akademische Senat, für die Studiengänge der Charité - Universitätsmedizin Berlin der Medizinsenat, dieser Aufforderung nicht nach, so kann die für die Hochschulen zuständige Senatsverwaltung die Zulassungszahl durch Rechtsverordnung festsetzen.

Der in § 2 Abs. 1a BerlHZG in Bezug genommene Artikel 7 des Staatsvertrags über die Vergabe von Studienplätzen vom 22. Juni 2006 (GVBl. S. 198 - ZVS-StV -) lautete:

Artikel 7 Kapazitätsermittlung und Festsetzung von Zulassungszahlen

(1) Für die Vergabe von Studienplätzen in Studiengängen, die in das zentrale Vergabeverfahren einbezogen sind, sind Zulassungszahlen nach Artikel 15 Abs. 1 Nr. 10 und nach Maßgabe des Landesrechts festzusetzen. Zulassungszahl ist die Zahl der von der einzelnen Hochschule höchstens aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber in einem Studiengang. Sie wird auf der Grundlage der jährlichen Aufnahmekapazität festgesetzt. Zulassungszahlen dürfen nur für einen bestimmten Zeitraum, höchstens für die Dauer eines Jahres, festgesetzt werden.

(2) Die Zulassungszahlen sind so festzusetzen, dass nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Vorgaben und unter Berücksichtigung der räumlichen und fachspezifischen Gegebenheiten eine erschöpfende Nutzung der Ausbildungskapazität erreicht wird; die Qualität in Forschung und Lehre, die geordnete Wahrnehmung der Aufgaben der Hochschule, insbesondere in Forschung, Lehre und Studium sowie in der Krankenversorgung, sind zu gewährleisten. Bei der Erprobung neuer Studiengänge und -methoden, bei der Neuordnung von Studiengängen und Fachbereichen und beim Aus- oder Aufbau der Hochschulen können Zulassungszahlen abweichend von Satz 1 festgesetzt werden.

(3) Die jährliche Aufnahmekapazität wird auf der Grundlage des Lehrangebots, des Ausbildungsaufwands und weiterer kapazitätsbestimmender Kriterien ermittelt. Dem Lehrangebot liegen die Stellen für das hauptamtlich tätige wissenschaftliche Personal, soweit ihm Lehraufgaben übertragen sind, die Lehraufträge und die dienstrechtlichen Lehrverpflichtungen zugrunde unter Berücksichtigung festgelegter Reduzierungen, insbesondere im medizinischen Bereich für Krankenversorgung und diagnostische Leistungen. Der Ausbildungsaufwand ist durch studiengangspezifische Normwerte festzusetzen, die den Aufwand festlegen, der für die ordnungsgemäße Ausbildung einer oder eines Studierenden in dem jeweiligen Studiengang erforderlich ist. Bei der Festsetzung von Normwerten sind ausbildungsrechtliche Vorschriften sowie der Ausbildungsaufwand in gleichartigen und vergleichbaren Studiengängen zu beachten. Die Normwerte haben eine gleichmäßige und erschöpfende Auslastung der Hochschulen zu gewährleisten; in diesem Rahmen sind die Hochschulen bei der Gestaltung von Lehre und Studium frei. Die Normwerte werden durch Rechtsverordnung festgesetzt. Weitere kapazitätsbestimmende Kriterien sind insbesondere die räumlichen und sächlichen Gegebenheiten, zusätzliche Belastungen auf Grund der bisherigen Entwicklung der Studienanfängerzahl und der Zahl der Studierenden, die Ausstattung mit nichtwissenschaftlichem Personal, das Verbleibeverhalten der Studierenden (Schwund) und die besonderen Gegebenheiten in den medizinischen Studiengängen, insbesondere eine ausreichende Zahl von für die Lehre geeigneten Patientinnen und Patienten.

(4) Vor der Festsetzung von Zulassungszahlen legt die Hochschule der zuständigen Landesbehörde einen Bericht mit ihren Kapazitätsberechnungen vor.

(5) Bei der Feststellung der Aufnahmekapazität gemäß Absatz 3 bleiben Maßnahmen zum Ausgleich zusätzlicher Belastungen auf Grund der bisherigen Entwicklung der Studienanfängerzahl und der Zahl der Studierenden unberücksichtigt; sie sind gesondert auszuweisen.

Die vorstehend zitierten Bestimmungen des Berliner Hochschulzulassungsgesetzes gelten in dessen aktueller Fassung (vom 20. Mai 2011, GVBl. S. 194) sachlich unverändert fort, ebenso die angeführten Regelungen des Art. 7 ZVS-StV (nunmehr - ab 1. Mai 2010 - Art. 6 des Staatsvertrags über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung vom 5. Juni 2008, GVBl. S. 310 - HZulEinrErrStV -).

Für die Bildung des Curricularnormwerts enthielt und enthält die Kapazitätsverordnung vom 10. Mai 1994 (GVBl. S. 186, zuletzt geändert durch die 18. Änderungsverordnung vom 11. März 2004 (GVBl. S. 119) - KapVO -), bis heute fortgeltend folgende Bestimmungen:

§ 13 (Curricularnormwert)

(1) Der Curricularnormwert bestimmt den in Deputatstunden gemessenen Aufwand aller beteiligten Lehreinheiten, der für die ordnungsgemäße Ausbildung einer Studentin oder eines Studenten in dem jeweiligen Studiengang erforderlich ist. Bei der Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität sind die in Anlage 2 aufgeführten Curricularnormwerte anzuwenden.

(2) Bei Studiengangkombinationen sind die in Anlage 2 aufgeführten Curricularnormwerte unter Berücksichtigung der Ausbildungsstruktur, des Anteils des jeweiligen Studiengangs am Gesamtstudium und der Studiendauer entsprechend anzuwenden.

(3) Ist für einen Studiengang ein Curricularnormwert in Anlage 2 nicht aufgeführt, wird von der für die Hochschulen zuständigen Senatsverwaltung im Benehmen mit der Hochschule ein Curricularnormwert festgelegt, der dem Ausbildungsaufwand für diesen Studiengang entspricht. Liegen Curricularnormwerte vergleichbarer Studiengänge vor, sind sie zu berücksichtigen.

(4) Zur Ermittlung der Lehrnachfrage in den einzelnen Lehreinheiten wird der Curricularnormwert auf die am Lehrangebot für den Studiengang beteiligten Lehreinheiten aufgeteilt (Bildung von Curricularanteilen). Die Angaben für die beteiligten Lehreinheiten sind aufeinander abzustimmen. Hilfsweise gilt die bisherige Verteilung des Lehrangebots.

§ 14 (Überprüfung des Berechnungsergebnisses)

(1) Das nach den Vorschriften des Zweiten Abschnitts berechnete Ergebnis ist zur Festsetzung der Zulassungszahlen anhand der weiteren, in Absatz 2 und 3 aufgeführten kapazitätsbestimmenden Kriterien zu überprüfen, wenn Anhaltspunkte gegeben sind, dass sie sich auf das Berechnungsergebnis auswirken.

(2) Eine Verminderung kommt nur in Betracht, wenn Tatbestände gegeben sind, die die Durchführung einer ordnungsgemäßen Lehre beeinträchtigen (Nummern 1 bis 6 und 8) oder wenn ein Ausgleich für eine Mehrbelastung des Personals (§ 8 Abs. 1) durch Studentinnen und Studenten höherer Semester erforderlich ist (Nummer 7):

1. Fehlen von Räumen in ausreichender Zahl, Größe und Ausstattung;

2. Fehlen einer ausreichenden Ausstattung mit sächlichen Mitteln;

3. Fehlen einer ausreichenden Ausstattung der Lehreinheit mit wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern;

4. Fehlen einer ausreichenden Anzahl geeigneter Patientinnen und Patienten für die Ausbildung im Studiengang Medizin;

5. Fehlen einer ausreichenden Zahl von Arbeitsplätzen und klinischen Behandlungseinheiten im Studiengang Zahnmedizin;

6. abweichende Berechnungsergebnisse für den vorklinischen und den klinischen Teil des Studiengangs Medizin;

7. gegenüber dem nach Absatz 3 Nrn. 1 bis 3 überprüften Berechnungsergebnis des Zweiten Abschnitts höhere Aufnahme von Studentinnen und Studenten erster oder höherer Fachsemester in den vergangenen Jahren;

8. besondere Leistungen in der Krankenversorgung im chirurgischen Bereich, soweit diese nicht im Rahmen der pauschalierten Regelungen nach § 9 Abs. 3 Nr. 1 aufgefangen werden können.

(3) …

2. Die Beschwerdeführerinnen bewarben sich zum Wintersemester 2009/2010 an der Humboldt-Universität zu Berlin (nachfolgend: Beteiligte zu 2) um einen Studienplatz für den zu diesem Semester neu eingeführten Studiengang „Bachelor of Science Psychologie, 1. FS“. Mit Bescheiden vom 19. August 2009 lehnte die Beteiligte zu 2 die Zulassung der Beschwerdeführerinnen mit der Begründung ab, die nach der durch Satzung festgesetzten Zulassungszahl vorhandenen 90 Studienplätze seien nach Wartezeit und Durchschnittsnoten an rangbessere Bewerber vergeben worden. Studienplätze außerhalb der festgesetzten Kapazität stünden nicht zur Verfügung.

Mit Anträgen auf Erlass einstweiliger Anordnungen wandten sich die Beschwerdeführerinnen im September 2009 an das Verwaltungsgericht Berlin und begehrten die vorläufige Zulassung zum Bachelorstudiengang Psychologie außerhalb der festgesetzten Aufnahmekapazität. Zugleich erhoben

sie fristwahrend Klagen gegen die ablehnenden Bescheide, über die noch nicht entschieden ist. Zur Begründung gaben sie an, dass die für den gewünschten Studiengang vorhandenen Kapazitäten noch nicht ausgeschöpft seien und weitere Studienplätze zur Verfügung stünden.

Mit gleichlautenden Beschlüssen vom 1. April 2010 (VG 30 L 1042.09 / VG 30 L 833.09) wies das Verwaltungsgericht Berlin die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen zurück. Zur Begründung führte es aus, dass über die von der Beteiligten zu 2 festgesetzte Zulassungszahl von Studienplätzen hinaus keine weiteren Studienplätze zur Verfügung stünden. Das Ergebnis der Kapazitätsermittlung der Hochschule sei rechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings seien einige der Rechenschritte und Grundannahmen der Beteiligten zu 2 zu korrigieren. Dies gelte insbesondere für die Festsetzung der Höhe der Lehrnachfrage der Studierenden. Der von der Beteiligten zu 2 in Ermangelung eines durch den Verordnungsgeber festgeschriebenen Curricularnormwertes (CNW) für den neu eingeführten Bachelorstudiengang Psychologie selbst auf 3,3514 festgesetzte Wert, der rechnerisch eine jährliche Aufnahmekapazität von 131 Studienplätzen ergeben habe, sei unter Abänderung verschiedener Grundannahmen der Beteiligten zu 2 - insbesondere im Hinblick auf die Betreuungsrelationen (Gruppengröße) der zu berücksichtigenden Lehrveranstaltungen - auf 2,2944 abzuändern, was einer jährlichen Aufnahmekapazität von zunächst 190 Studienplätzen entspreche. Diese Zahl sei in einem zweiten Schritt wegen der bestehenden Überlast im Wege einer Verminderung nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 KapVO abzusenken. Schließlich ergebe die Gegenüberstellung der sog. Gesamtkapazität einerseits und der tatsächlich vorhandenen Gesamtbelastung durch die neu zu immatrikulierenden Bachelorstudierenden und die vorhandenen Diplomstudierenden andererseits eine deutliche Überlast von rund 355 Studierenden, die es ohne Weiteres rechtfertige, für eine Übergangszeit die errechnete Aufnahmekapazität von 190 auf die festgesetzte Zulassungszahl von 90 zu vermindern.

Mit ihren Beschwerden an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg machten die Beschwerdeführerinnen geltend, die durch das Verwaltungsgericht vorgenommene Kapazitätsberechnung sei rechtswidrig und verletze sie in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit und freie Wahl des Ausbildungsplatzes. Zunächst habe das Verwaltungsgericht übersehen, dass die jährliche Aufnahmekapazität um den Anteil des sog. Eigen- oder Selbststudiums der Studierenden von 30 v. H. zu erhöhen sei, damit also statt 190 eigentlich 247 Studienplätze zur Verfügung gestanden hätten. Des Weiteren habe es bei der Berechnung des Curricularnormwertes rechtsfehlerhaft lediglich die Mittelwerte der Betreuungsrelationen aus einer Empfehlung der Hochschulrektorenkonferenz angesetzt und nicht - wie es verfassungsgemäß gewesen wäre - die dort zu findenden Höchstwerte. Es sei ferner nicht davon auszugehen, dass eine Überlast im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 7 KapVO in der vom Verwaltungsgericht errechneten Höhe vorliege. So dürften die Diplomstudierenden des 7. bis 9. Fachsemesters bei der Überlastberechnung gar nicht berücksichtigt werden, da sie keine Lehrleistung aus dem Bachelorstudiengang nachfragten. Des Weiteren sei auch die Umrechnung der in den Fachsemestern 2 bis 6 immatrikulierten Diplomstudierenden in „fiktive“ Bachelorstudierende rechtsfehlerhaft. Hier komme höchstens eine Addition der tatsächlich verbliebenen (Diplom-) und der neu aufgenommenen (Bachelor-) Studierenden in Betracht. Dass keine Überlast bestehen könne, ergebe sich schließlich auch aus dem Umstand, dass in den vergangenen Jahren im Diplomstudiengang unstreitig nicht überkapazitär zugelassen und die Lehrkapazität der Lehreinheit im Vergleich zu den Vorjahren nicht wesentlich verändert worden sei. Damit sei nicht ersichtlich, wieso nicht auf dem gleichen Niveau wie in der Vergangenheit immatrikuliert werden könne. Im Übrigen sei - zumindest für die Diplomstudierenden des 7. bis 9. Fachsemesters - auch eine Schwundquote anzusetzen gewesen.

Das Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerden mit zwei gleichlautenden Beschlüssen vom 12. Januar 2011 zurück. Keine der von den Beschwerdeführerinnen vorgebrachten Rügen zeige rechtserhebliche Fehler des Verwaltungsgerichts auf. Zum einen habe das Verwaltungsgericht sich bei der Berechnung des Curricularnormwertes an den Mittelwerten der in der Empfehlung der Hochschulrektorenkonferenz vorgeschlagenen Betreuungsrelationen orientieren dürfen. Diese seien für die Beschwerdeführerinnen bereits günstiger als die von der Beteiligten zu 2 angesetzten Werte; im Übrigen gebe es keine Regel, derzufolge bei Numerus-clausus-Fächern stets von Höchstwerten auszugehen sei. Auch die „Nichtberücksichtigung“ des Eigenstudienanteils von 30 v. H. im Rahmen der Kapazitätsberechnung sei nicht zu beanstanden, da durch diesen Anteil weder das zur Verfügung stehende Lehrangebot noch der von der Lehreinheit zu gewährleistende Ausbildungsaufwand berührt werde, dieser Anteil daher keinen tauglichen kapazitätsrechtlichen Parameter darstelle. Auch die Überlastentscheidung nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 KapVO sei nicht zu beanstanden. Es liege auf der Hand, dass die Belastung der Lehreinheit Psychologie mit dem neuen Bachelorstudiengang und dem auslaufenden Diplomstudiengang tatsächlich zu einer erhöhten Inanspruchnahme des betroffenen Lehrpersonals führe. Diese Überlast erfordere es, die zunächst allein normativ bestimmte Aufnahmekapazität den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend zu korrigieren. In die Berechnung der Höhe der bestehenden Überlast dürften alle bis zum Ende der Regelstudienzeit noch immatrikulierten Diplomstudierenden einbezogen werden, denn es handele sich im Verhältnis von Bachelor- zu Diplomstudiengang nicht um „gesonderte“ Studiengänge. Vielmehr trete der Ausbildungsaufwand für den Bachelorstudiengang neben denjenigen des Diplomstudiengangs. Auch gehe es nicht an, die ab dem 7. Fachsemester eingeschriebenen Diplomstudierenden aus der Berechnung herauszunehmen. Schließlich belasteten auch diese Studierenden die Lehreinheit Psychologie mit ihrer Lehrnachfrage, und die Einrichtung des Masterstudiengangs Psychologie, auf den die Beschwerde diese Studierenden angerechnet haben wolle, sei erst für das Wintersemester 2012/13 geplant. Aus dem daraus folgenden Umstand, dass es kein „Anrechnungsverbot“ für höhersemestrige Diplomstudierende gebe, folge ohne Weiteres, dass sowohl die Kritik an der Umrechnung von Diplomstudierenden in „fiktive“ Bachelorstudierende als auch an dem Fehlen des Ansatzes einer Schwundquote ins Leere gehe.

Die am 31. Januar 2011 von den Beschwerdeführerinnen erhobenen Anhörungsrügen hat das Oberverwaltungsgericht durch zwei gleichlautende Beschlüsse vom 28. Juni 2011 zurückgewiesen.

Mit ihren Verfassungsbeschwerden wenden sich die Beschwerdeführerinnen gegen die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts vom 12. Januar 2011 und rügen eine Verletzung ihres Rechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 15 Abs. 4 der Verfassung von Berlin - VvB - in Verbindung mit einer Verletzung ihres Rechts auf freie Wahl der Ausbildungsstätte und des Berufs aus Art. 17, 20 Abs. 1 Satz 2 VvB. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene und vom Oberverwaltungsgericht bestätigte Kapazitätsermittlung für den Bachelorstudiengang Psychologie im Wintersemester 2009/2010 verstoße in mehrfacher Hinsicht gegen Verfassungsrecht. Bei verfassungsgemäßer Kapazitätsberechnung wäre die Zulassungszahl auf deutlich mehr als 90 Studienplätze festzusetzen gewesen. Zunächst fehle es an einer ausreichenden Rechtsgrundlage für die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Festsetzung der Gruppengröße. Da weder diese noch der Curricularnormwert durch Gesetz oder zumindest durch Verordnung festgesetzt worden sei, dürften sich die Richter nicht ohne Weiteres an die Stelle des Hochschulgesetzgebers setzen und diese Werte selbst ausrechnen. Insbesondere könne es nicht angehen, dass sie sich insoweit - anstatt sich auf eine gesetzliche Rechtsgrundlage zu stützen - an einer politischen Empfehlung der Hochschulrektorenkonferenz orientierten. Zumindest müssten sie wegen des Kapazitätserschöpfungsgebotes dann die kapazitätsfreundlichen Höchstwerte ansetzen. Des Weiteren verstoße die Anwendung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 KapVO auf den vorliegenden Fall gegen das verfassungsrechtliche Kapazitätserschöpfungsgebot aus Art. 17, 20 Abs. 1 Satz 2 VvB. Diese kapazitätsvernichtend wirkende Vorschrift sei nur anzuwenden, wenn ihre Voraussetzungen vorlägen, zu denen auch die höhere Aufnahme von Studierenden in den vergangenen Jahren zähle. Diese Voraussetzung habe hier nicht vorgelegen, weswegen allenfalls eine analoge Anwendung in Betracht gekommen wäre, für die aber kein Raum sei. Ferner sei es verfassungswidrig, dass das Oberverwaltungsgericht den Eigenstudienanteil der Studierenden in Höhe von 30 v. H. bei der Kapazitätsberechnung außen vor gelassen habe. Schließlich handele es sich hierbei um einen kapazitätsfreundlichen Parameter, der bisher keine Berücksichtigung in den Berechnungsfaktoren gefunden habe und deswegen am Ende der Berechnung pauschal in Höhe von einem Drittel auf die errechnete Aufnahmekapazität aufgeschlagen werden müsse. Schließlich sei die Berücksichtigung der Betreuung der Studierenden während ihrer Bachelor-Abschlussarbeiten im Rahmen der Festsetzung der Lehrnachfrage nicht verfassungsgemäß, solange es - wie im streitgegenständlichen Studiengang - keine begleitenden Lehrveranstaltungen, also auch keinen Lehraufwand gebe.

Den Beteiligten ist gemäß § 53 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof -

VerfGHG - Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Die Beteiligte zu 2 hält die Verfassungsbeschwerden für unzulässig und unbegründet. Die Zulässigkeit scheitere bereits an der fehlenden Erschöpfung des Rechtswegs. Es sei den Beschwerdeführerinnen zuzumuten, die Entscheidungen in den Hauptsacheverfahren abzuwarten. Während sie bei ihren Ausgangsqualifikationen im regulären Verfahren mit bis zu 16 Wartesemestern rechnen müssten, hätten sie bisher erst vier Semester Wartezeit aufzuweisen. Vollendete Tatsachen träten durch den Zeitablauf nicht ein. Auch sei nicht ersichtlich, wieso das Verwaltungsgericht nicht in absehbarer Zeit über die anhängigen Klagen entscheiden sollte. Die Verfassungsbeschwerden seien auch unbegründet, da die vorgenommene Kapazitätsberechnung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Das Verwaltungsgericht habe keine eigene Entscheidung über den Curricularnormwert getroffen, sich mithin nicht an die Stelle des Normgebers gesetzt, sondern habe lediglich dessen Entscheidungen ausgelegt. Schließlich habe es im Laufe des Jahres 2006 eingehende Verhandlungen zwischen der zuständigen Senatsverwaltung und den drei Berliner Universitäten gegeben, deren Ziel es gewesen sei, für die Zeit nach der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen die universitären Aufnahmekapazitäten auf Grundlage gemeinsam ermittelter Curricularnormwerte festzulegen. Die Verhandlungsergebnisse seien zwar nicht in Anlage 2 der Kapazitätsverordnung aufgenommen, dafür aber in einem Vermerk der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur vom 22. Mai 2006 festgehalten worden. Damit liege eine ausreichende Einflussnahme des Normgebers vor. Der Erlass normativer Regelungen sei damals noch nicht zwingend gewesen, da die neue, gestufte Studienstruktur noch in der Erprobungsphase befindlich und ihre Auswirkungen mithin noch nicht absehbar gewesen seien.

Mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2011 trägt die Beteiligte zu 2 unter Verweis auf einen Eilbeschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg von Anfang November 2011 ergänzend vor, dass die Festsetzung eines eigenständigen Curricularnormwertes für den zum Wintersemester 2009/10 neu eingeführten Bachelorstudiengang Psychologie auch entbehrlich sei, weil die Kapazitätsverordnung für den Diplomstudiengang Psychologie einen solchen Wert vorsehe, welcher seit der 15. Änderungsverordnung der Kapazitätsverordnung im Jahr 2002 auch für den Bachelorstudiengang gelte.

II.

Die Verfassungsbeschwerden haben Erfolg.

1. Sie sind zulässig.

a) Der Rechtsweg im Sinne von § 49 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof - VerfGHG - ist erschöpft. Zwar richten sich die Verfassungsbeschwerden gegen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangene Entscheidungen. Dieses bildet gegenüber dem Hauptsacheverfahren jedoch einen eigenständigen Rechtsweg, so dass auch letztinstanzliche Entscheidungen über Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung selbständig mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden können (Beschluss vom 16. September 2008 – VerfGH 81/08, 81 A/08 Rn. 5 m. w. N.; vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 39, 276 (290 f.) ). Die bloße Erschöpfung des Eilrechtswegs reicht allerdings dann nicht aus, wenn das Hauptsacheverfahren ausreichende Möglichkeiten bietet, der Grundrechtsverletzung abzuhelfen, und dieser Weg dem Beschwerdeführer auch zumutbar ist (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGK 3, 135 (138 f.)). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Von den Beschwerdeführerinnen kann nicht verlangt werden, dass sie vor einer Inanspruchnahme des Verfassungsgerichtshofes das verwaltungsgerichtliche Verfahren in der Hauptsache durchführen. Durch ein weiteres Zuwarten entstünden ihnen schwere und im Hauptsacheverfahren nicht mehr ausgleichbare Nachteile durch unwiederbringliche Zeitverluste. Die Verteilung überschüssiger Hochschulkapazitäten findet praktisch nur noch in Eilverfahren statt. Hierbei werden Fakten geschaffen, die in der Regel nicht mehr rückgängig zu machen sind, wenn ein Antragsteller schließlich - in der Regel nach mehrjähriger Prozessdauer - im Hauptsacheverfahren obsiegen sollte (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGK 3, 135 (139); BVerfGE 39, 276 (290 f.)). Die Erwägung der Beteiligten zu 2, es sei den Beschwerdeführerinnen zuzumuten, die Entscheidungen in den Hauptsacheverfahren abzuwarten, weil sie bei ihren Ausgangsqualifikationen im regulären Verfahren mit bis zu 16 Wartesemestern rechnen müssten, bisher aber erst vier Semester Wartezeit aufzuweisen hätten, verkennt den prinzipiellen und grundrechtlich geschützten Zulassungsanspruch jedes hochschulreifen Bewerbers.

b) Der Grundsatz der Subsidiarität ist gewahrt. Die Beschwerdeführerinnen haben die Ermittlung der Aufnahmekapazität für den von ihnen angestrebten Studiengang bereits im fachgerichtlichen Verfahren unter Berufung auf ihre Grundrechte als fehlerhaft beanstandet. Dass sie sich hierbei gegen einzelne Berechnungsschritte der Kapazitätsberechnung gewandt, nicht aber deren Grundlage in Zweifel gezogen haben, steht einer hierauf bezogenen Rüge im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht entgegen. Ein Beschwerdeführer ist nicht gehalten, das fachgerichtliche Verfahren im Sinne eines vorgezogenen Verfassungsrechtsstreits zu führen und bereits dort alle verfassungsrechtlich relevanten Argumente vorbringen (vgl. für das Bundesrecht: BVerfGE 112, 50 (61); BVerfG, NJW 2011, 3428 (3429 Rn. 61)). Das Oberverwaltungsgericht war auch nicht durch die Vorschrift des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO gehindert, die Grundlagen der angegriffenen Kapazitätsberechnung zu überprüfen. Denn die gegen einzelne Berechnungsschritte erhobenen Rügen lassen sich nicht von der Frage trennen, ob die Aufnahmekapazität ohne festgesetzten Curricularnormwert gesetzeskonform ermittelt werden kann. Ist das nicht der Fall, erweist sich eine dennoch erfolgte Berechnung zwangsläufig als falsch. Dürfte das Oberverwaltungsgericht dies im Rahmen einer zur Ermittlung der Aufnahmekapazität erhobenen Rüge nicht berücksichtigen, müsste es eine Kapazitätsberechnung im Detail überprüfen und gedanklich fortführen, obwohl es bereits deren Ausgangspunkt als unzutreffend oder gar verfassungswidrig erkannt hat. Eine solche, von den maßgeblichen rechtlichen Grundlagen losgelöste Prüfung erzwingt das Verfahrensrecht nicht.

2. Die Verfassungsbeschwerden sind auch begründet. Die angefochtenen Beschlüsse verletzen den verfassungsrechtlich geschützten Hochschulzulassungsanspruch der Beschwerdeführerinnen und ihr Recht auf effektiven Rechtsschutz.

a) Ebenso wie Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgrundsatz gewährleisten auch Art. 17 VvB und Art. 20 Abs. 1 Satz 2 VvB (Recht auf freie Wahl des Berufes und auf Bildung) in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 VvB und dem Sozialstaatsprinzip (Beschlüsse vom 22. Mai 1996 - VerfGH 34/96 - Rn. 7 und 20. August 1997 - VerfGH 101/96 - Rn. 30) jedem Bürger, der die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, einen Anspruch auf Zulassung zum Hochschulstudium seiner Wahl (Beschluss vom 16. September 2008, a. a. O., Rn. 7 m. w. N.; vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, NVwZ-RR 2000, 22; BVerfGE 33, 303 (329 ff.) und 85, 36 (53) m. w. N.; st. Rspr.). Absolute Zulassungsbeschränkungen sind nur unter strengen formellen und materiellen Voraussetzungen statthaft. Sie bedürfen einer gesetzlichen Grundlage und sind nur dann verfassungsgemäß, wenn sie zum Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes - Funktionsfähigkeit der Universitäten in Wahrnehmung ihrer Aufgaben in Forschung, Lehre und Studium - und nur in den Grenzen des unbedingt Erforderlichen unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen, mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Ausbildungskapazitäten angeordnet werden (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGK 3, 135 (140); BVerfGE 85, 36 (53) m. w. N. ; BVerfGE 33, 303 (336 ff.)). Auch die Art und Weise der Kapazitätsermittlung, insbesondere die Feststellung vorhandener Ausbildungskapazitäten und die darauf basierende Festsetzung von Zulassungszahlen hat, da sie zum Kern des Zulassungswesens gehört und Grundlage für die Zurückweisung von verfassungsrechtlich gewährleisteten Zulassungsansprüchen ist, diesen Anforderungen zu genügen (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 85, 36 (54)).

Die Festlegung objektivierter, nachvollziehbarer Kriterien für die Kapazitätsermittlung fällt dabei grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Gesetzgebers (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 33, 303 (340)). Eine Delegation an den Verordnungs- und/oder Satzungsgeber kann wegen der herausragenden Bedeutung des Hochschulzugangsrechts nur dann verfassungskonform erfolgen, wenn im Vorhinein festgelegt ist, wer in welcher Art von Verfahren zu entscheiden hat, und wenn das so formalisierte Verfahren einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich gemacht wird (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, a. a. O., 340 f.). Insbesondere dann, wenn sich - wie hier – verschiedene Grundrechtspositionen in einem Spannungsverhältnis gegenüberstehen, ist am ehesten der Gesetzgeber, gegebenenfalls auf einer geeigneten gesetzlichen Grundlage der Verordnungsgeber, dazu berufen, für alle Beteiligten die Grenzen des Zumutbaren festzulegen und die damit verbundenen Wertungen und Abwägungsentscheidungen zu treffen (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 54, 173 (192 f.)). Jedenfalls dann, wenn der Gesetzgeber seine Regelungsbefugnis delegiert hat, ist inhaltlich zudem erforderlich, dass die Festsetzung der Zulassungskriterien in kritischem Zusammenwirken von Hochschulen und staatlichen Behörden stattfindet und die Überprüfung durch die staatlichen Behörden sich nicht in einem formalen Akt erschöpft, sondern eine eigene, substantielle Prüfung einschließt (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 33, 303 (341 ff. und 344 f.)).

Aus Art. 15 Abs. 4 Satz 1 VvB, der nicht nur die Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, garantiert, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes verbürgt, ergeben sich besondere Anforderungen für die Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Regelungen über den vorläufigen Rechtsschutz. Art. 15 Abs. 4 Satz 1 VvB gebietet jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn andernfalls schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht in der Lage wäre. In Fällen einer drohenden, erheblichen und nicht wiedergutzumachenden Verletzung von Grundrechten ist erforderlichenfalls schon im vorläufigen Rechtsschutzverfahren der in der Hauptsache geltend gemachte Anspruch tatsächlich und rechtlich eingehend zu prüfen (vgl. zuletzt Beschluss vom 16. September 2008, a. a. O., Rn. 14; vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 94, 166 (216); BVerfG, NJW 1995, 950 (951)). Der Rechtsschutzanspruch des Bürgers darf umso weniger zurückstehen, je mehr eine Maßnahme der Verwaltung vollendete Tatsachen schafft (vgl. Beschluss vom 1. November 2007 - VerfGH 103/07 - zum Eilrechtsschutz nach § 80 VwGO m.w. N.). Dies bedeutet zugleich, dass die Gerichte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren umso umfassender und eingehender die Sach- und Rechtslage prüfen müssen, je schwerwiegender die Folgen eines drohenden faktischen Rechtsverlustes sein können. Die Versagung der Zulassung zu einem Wunschstudium aus Kapazitätsgründen ist deshalb verfassungsrechtlich nur hinnehmbar, wenn die Verwaltungsgerichte bereits im Eilverfahren alle Möglichkeiten einer intensiven und zeitnahen Kontrolle nutzen und zur Überzeugung gelangen, dass die Zulassungsbeschränkung und die Abweisung des Antragstellers rechtmäßig sind. Bei nicht ausräumbaren Zweifeln an der Rechtmäßigkeit einer Zulassungsbeschränkung dürfen sie den grundrechtlich geschützten Zulassungsanspruch des Studienbewerbers allenfalls auf der Grundlage einer konkreten Interessen- und Folgenabwägung zugunsten überwiegender öffentlicher und privater Interessen Dritter einstweilen (und damit häufig endgültig) zurücktreten lassen.

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen und Grundsätzen werden die angegriffenen Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg nicht gerecht.

aa) Nach §§ 2 und 3 des Gesetzes über die Zulassung zu den Hochschulen des Landes Berlin in zulassungsbeschränkten Studiengängen (in der Fassung vom 22. Oktober 2008 (GVBl. S. 294) - BerlHZG -) durfte eine Beschränkung der Zulassung zum Hochschulstudium (numerus clausus) nur ausnahmsweise für einzelne Studiengänge erfolgen. Hierfür mussten alle normierten Voraussetzungen vorliegen und Zulassungszahlen für die höchstens aufzunehmenden Studienbewerber durch Satzung der Hochschule oder durch Rechtsverordnung der zuständigen Senatsverwaltung förmlich festgesetzt werden. Zur Ermittlung der zulässigen Höchstzahl (Kapazitätsermittlung) verwies § 2 Abs. 1a BerlHZG auch für nicht in das zentrale Vergabeverfahren einbezogene Studiengänge - wie das Bachelorstudium Psychologie bei der Beteiligten zu 2 – auf die Regelungen des Art. 7 des Staatsvertrags über die Vergabe von Studienplätzen vom 22. Juni 2006 (GVBl. S. 198 - ZVS-StV -; seit 1. Mai 2010 inhaltlich unverändert Art. 6 des Staatsvertrags über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung vom 5. Juni 2008, GVBl. S. 310 - HZulEinrErrStV -). Danach wurde und wird die jährliche Aufnahmekapazität auf der Grundlage des Lehrangebots, des Ausbildungsaufwands und weiterer kapazitätsbestimmender Kriterien ermittelt (Art. 7 Abs. 3 Satz 1 ZVS-StV). Der Ausbildungsaufwand ist durch studiengangspezifische Normwerte festzusetzen, die den Aufwand festlegen, der für die ordnungsgemäße Ausbildung einer oder eines Studierenden in dem jeweiligen Studiengang erforderlich ist (Art. 7 Abs. 3 Satz 3 ZVS-StV). Die Curricularnormwerte haben eine gleichmäßige und erschöpfende Auslastung der Hochschulen zu gewährleisten und werden durch Rechtsverordnung festgesetzt (Art. 7 Abs. 3 Satz 5 und 6 ZVS-StV). Dem entsprechend sah und sieht § 13 Abs. 1 der Verordnung über die Kapazitätsermittlung, die Curricularnormwerte und die Festsetzung von Zulassungszahlen in der Fassung der 18. Änderungsverordnung vom 11. März 2004 (GVBl. S. 119 - KapVO -) vor, dass der Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität die in Anlage 2 zur Kapazitätsverordnung aufgeführten Curricularnormwerte zugrunde zu legen sind.

Diese landesrechtlichen Vorgaben wurden im Ausgangsverfahren nicht beachtet, obwohl das Verwaltungsgericht in seinen Beschlüssen vom 1. April 2010 ausdrücklich festgestellt hatte, dass es an einem durch Rechtsverordnung festgesetzten Curricularnormwert für den Bachelorstudiengang Psychologie fehlte. Soweit die Beteiligte zu 2 mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2011 unter Bezugnahme auf eine Eilentscheidung des Oberverwaltungsgerichts vom 3. November 2011 - OVG 5 NC 228.11 - erstmals und in Widerspruch zu früherem Vorbringen behauptet, in Anlage 2 der KapVO sei seit der 15. Änderungsverordnung vom 23. April 2002 ein Curricularnormwert „auch für das Bachelorstudium Psychologie genannt“, ist dieses Vorbringen aus mehreren Gründen nicht geeignet, eine andere Bewertung zu rechtfertigen. So ist neuer Vortrag im Verfassungsbeschwerdeverfahren, der den Vorinstanzen zur Prüfung nicht unterbreitet wurde, regelmäßig unbeachtlich. So ist neuer Vortrag regelmäßig jedenfalls dann unbeachtlich, wenn er - wie hier - früherem Vorbringen widerspricht und im Ausgangsverfahren zu weiteren tatsächlichen und einfachrechtlichen Prüfungen Anlass gegeben hätte, die im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht nachgeholt werden sollen und können. Es ist zudem kaum vorstellbar, den angeführten Wortlaut der Anlage 2 zur KapVO 2004 so auszulegen, dass der Verordnungsgeber im Jahre 2002 einen Curricularnormwert auch für einen erst Jahre später eingerichteten Bachelorstudiengang der Psychologie festsetzen wollte und festgesetzt hat, dessen Ausbildungsaufwand - so wie die Beteiligte zu 2 ursprünglich selbst geltend gemacht hat - weder bekannt war noch in die Ermittlung des seit Jahren unverändert gebliebenen Curricularnormwerts für den Diplomstudiengang Psychologie (4,0) eingeflossen sein kann. Dies gilt erst recht unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beteiligten zu 2 in ihrem Schriftsatz vom 12. August 2011, es hätten (erst) im Mai 2006 Gespräche zwischen der Senatsverwaltung und den damaligen drei Universitäten „über die Entwicklung der Aufnahmekapazitäten im WS 2006/2007 unter Einbeziehung der neuen Bachelor- und Masterstudienstruktur“ stattgefunden, und des hierbei in Bezug genommenen Vermerks der Senatsverwaltung vom 22. Mai 2006, der auf eine Tabelle „Ableitung der CNW-Werte B/M aus den CNW-Werten Diplom“ unter Berücksichtigung der neu vereinbarten Betreuungsrelationen für die gestuften Studiengänge Bezug nimmt. Unabhängig davon fehlt in den hier angefochtenen Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts jeder Hinweis auf eine solche Interpretation der Anlage 2 zur KapVO 2004 und die dann erforderliche Prüfung,

ob ein derartiger Normwert, der den Wert für den Diplomstudiengang mit demjenigen für ein Bachelorstudium gleichsetzt, mit höherrangigem Recht vereinbar oder - wie es ggf. naheliegt - nichtig wäre. Wie im Falle eines „nur“ nichtigen, aber tatsächlich - wenn auch fehlerhaft – durch Rechtsverordnung festgesetzten Curricularnormwerts zu verfahren wäre und ob dann eine Herabsetzung der Parameter im verwaltungsgerichtlichen Verfahren verfassungsrechtlich bedenkenfrei in Betracht käme, kann offen bleiben.

Die Ablehnung von effektivem vorläufigem Rechtsschutz ohne eine sorgfältige Nachprüfung der einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Zulassungsbeschränkung verletzt Art. 15 Abs. 4 Satz 1 VvB. Die Versagung der Hochschulzulassung der Beschwerdeführerinnen zum Studiengang ihrer Wahl widerspricht nach dem Erkenntnisstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens, der dem Verfassungsbeschwerdeverfahren zugrundezulegen ist, bereits dem einfachen Landesrecht, das die Zulassungsbeschränkung verfassungsrechtlich erst legitimieren kann (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 33, 303 (336 f.)); sie verstößt deshalb mangels rechtmäßiger Beschränkung zugleich gegen den grundrechtlichen Zulassungsanspruch aus Art. 17 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Satz 2 und Art. 10 Abs. 1 VvB.

bb) Die Verletzung der Rechte der Beschwerdeführerinnen kann auch nicht, wie die Vorinstanzen möglicherweise zum Ausdruck bringen wollen, durch eine im verwaltungsgerichtlichen Eil- und

Hauptsacheverfahren nachgeholte Kapazitätsberechnung auf der Grundlage des § 13 KapVO gleichsam geheilt werden. § 13 Abs. 3 KapVO enthält zwar einen Auffangtatbestand, der vorsieht, dass bei Fehlen eines durch Rechtsverordnung festgesetzten studiengangspezifischen Curricularnormwertes ein solcher von der zuständigen Senatsverwaltung im Benehmen mit der Hochschule festgesetzt werden kann. Nicht einmal eine solche ersatzweise Festsetzung als Grundlage der Zulassungsbeschränkung hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt; davon abgesehen dürften die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 KapVO nicht vorgelegen haben und ist bisher ungeprüft geblieben, ob diese Regelung mit Art. 7 Abs. 3 Satz 6 ZVS-StV (jetzt Art. 6 Abs. 3 Satz 6 HZulEinrErrStV) und den allgemeinen verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar ist. Unter diesen Umständen läuft die Kapazitätsüberprüfung und –ermittlung durch die Vorinstanzen darauf hinaus, anstelle der Verwaltung (hier als Verordnungsgeber nach Art. 7 Abs. 3 Satz 6 ZVS-StV und der Anlage 2 zur KapVO bzw. im Benehmen mit der Hochschule nach § 13 Abs. 3 KapVO) zu handeln und einen Curricularnormwert selbst zu schöpfen. Dazu sind die Verwaltungsgerichte nicht befugt. Ob dies im Ergebnis unter außergewöhnlichen Umständen im Rahmen einer verfassungsrechtlich hinnehmbaren Notkompetenz zur Abwendung konkreter, besonders schwer wiegender Gefahren für die Funktionsfähigkeit der Hochschule und die Grundrechte bereits zugelassener Studenten in Betracht kommen kann, bedarf keiner weiteren Erörterung (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 33, 303 (326 f.)). Für eine derartige Situation ist nichts ersichtlich; namentlich ist nicht erkennbar, weshalb die Verwaltung gehindert gewesen sein sollte oder gehindert ist, ihrem gesetzlichen Auftrag nachzukommen und in verfassungskonformer Weise zu handeln.

cc) Auch der Hinweis der Beteiligten zu 2 auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juni 1980 (BVerfGE 54, 173) gibt keinen Anlass zu einer anderen Entscheidung. Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2 lässt sich aus jener Entscheidung, in welcher das Bundesverfassungsgericht eine Grundrechtsverletzung allein durch das Unterlassen einer normativen Festlegung von Lehrverpflichtungen verneint hat, nicht schließen, auch hier könne kein Verfassungsverstoß darin liegen, dass es an einer Festsetzung des Curricularnormwertes durch Gesetz oder Rechtsverordnung fehle. Die Beteiligte zu 2 verkennt insoweit ebenso wie die angegriffenen Entscheidungen, dass der Landesgesetzgeber eine wirksame Zulassungsbeschränkung von der normativen Festsetzung einer Zulassungszahl unter Bindung an einen – zumindest regelmäßig nach Art. 7 Abs. 3 Satz 6 ZVS-StV / Art. 6 Abs. 3 Satz 6 HZulEinrErrStV durch Verordnung festzusetzenden - Curricularnormwert abhängig gemacht hat, der - wenn überhaupt – allenfalls unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 KapVO durch eine Festsetzung der Senatsverwaltung ersetzt werden kann. Von diesen Vorgaben zur Sicherung einer erschöpfenden Nutzung der Ausbildungskapazität können sich weder die Verwaltungsgerichte noch die Verwaltung und die Hochschulen lösen.

3. Auf die weiteren von den Beschwerdeführerinnen gerügten Grundrechtsverletzungen kommt es danach nicht mehr an. So bedarf insbesondere keiner abschließenden Entscheidung, ob ein weiterer selbständiger Verfassungsverstoß bei der Kapazitätsermittlung darin zu sehen wäre, dass das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung der Beteiligten zu 2 gebilligt hat, die von ihr mit 131 bzw. vom Verwaltungsgericht mit 190 errechnete Zulassungshöchstzahl gestützt auf § 14 Abs. 2 Nr. 7 KapVO auf 90 zu vermindern. Es erscheint schon fraglich, ob diese Bestimmung auf den hier gegebenen Fall einer Neuordnung von Studiengängen im Hinblick auf die eigens hierfür getroffenen Regelungen in § 1 Abs. 2, § 20 KapVO i. V. m. Art. 7 Abs. 2 Satz 2 ZVSStV überhaupt anwendbar ist. Unabhängig davon dürften die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 KapVO - Mehrbelastung des Personals infolge von gegenüber dem jeweiligen Berechnungsergebnis höherer Zulassung von Studienbewerbern in der Vergangenheit (sog. Überbuchung) - in der angegriffenen Entscheidung nicht dargelegt sein. Soweit das Oberverwaltungsgericht entgegen dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 Nr. 7 KapVO auf die „Gesamtkapazität“ der Lehreinheit und nicht auf die jährliche Aufnahmekapazität im Verhältnis zu den tatsächlichen Zulassungszahlen der vergangenen Jahre abgestellt hat, hätte dies angesichts der weitreichenden Folgen dieser Berechnungsweise eingehend dargestellt und unter Berücksichtigung der gegenläufigen Belange der Studienbewerber und der Studierenden einerseits, der Hochschule und Hochschullehrer andererseits begründet werden müssen.

Die Beschlüsse in den Anhörungsrügeverfahren werden mit der Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen gegenstandslos (vgl. Beschluss vom 1. Juni 2010 - VerfGH 13/10 - Rn. 37).

Mit der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden erledigen sich die Anträge auf Erlass

einstweiliger Anordnungen.

III.

Die angefochtenen Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg sind aufzuheben und die Sachen an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. Angesichts der erheblichen Dauer der vorläufigen Rechtsschutzverfahren wird das Oberverwaltungsgericht nun mit der gebotenen Eile erneut zu entscheiden haben (vgl. zum Bundesrecht auch: BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 2007 - 1 BvR 3101/06 - juris, Rn. 29). ....

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