Dienstwagen - Widerruf der privaten Nutzung

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Nicht selten überlassen Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern Fahrzeuge, die zur Erbringung der Arbeitsleistung benötigt werden, auch zur privaten Nutzung in der Freizeit. Erfolgt dies, so erlangt der Arbeitnehmer einen Anspruch hierauf, der erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses endet (ähnlich dem Anspruch auf Zahlung der Arbeitsvergütung).

Will ein Arbeitgeber, dass ein solches Fahrzeug schon vorzeitig auf sein Verlangen hin zurückzugeben ist, so muss dies entsprechend vereinbart werden.

Das Bundesarbeitsgericht hatte einen Fall zu entscheiden, in dem sich der Arbeitgeber in seinen Arbeitsverträgen vorbehielt, das Fahrzeug im Falle der Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung zurückzuverlangen. Der Fall gelangte in die Revisionsinstanz, weil seit einiger Zeit das Recht der sog. allgemeinen Arbeitsbedingungen auch in Arbeitsverhältnissen Anwendung findet, und vereinfacht ausgedrückt seit dem das höchste deutsche Arbeitsgericht noch keine Entscheidung zu Formulararbeitsverträgen mit Rückgabepflichten getroffen hatte.

Nach dem Urteil vom 21.03.2012 (Az. 5 AZR 651/10) erweist sich eine arbeitsvertragliche Klausel, nach der ein Arbeitnehmer ein ihm zu privaten Zwecken überlassenes Dienstfahrzeug im Falle der Freistellung von der Arbeitsleistung an den Arbeitgeber zurückzugeben hat, als grundsätzlich wirksam. Eine Abrede, nach der ein solches Fahrzeug jederzeit ohne Grund auf Verlangen des Arbeitgebers zurückzugeben ist, hätte sich hingegen als unwirksam erwiesen. Im entschiedenen Fall war ein Grund – Freistellung – benannt.

Das Bundesarbeitsgericht entschied weiterhin, dass der Arbeitgeber gleichwohl in bestimmten Fällen das Fahrzeug nicht sogleich zurückverlangen kann, sondern vielmehr eine sog. Auslauffrist – im entschiedenen Fall: bis zum Ende des Kalendermonats - gewähren muss. Hintergrund war der Umstand, dass der Arbeitnehmer die ermöglichte private Nutzung für den vollen angefangenen Monat (infolge Pauschalversteuerung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) versteuern musste. Die vorzeitig bewirkte Rückgabe begründete einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers. Wie sich dieser berechnet war bislang umstritten. Das Gericht schloss sich nunmehr der Ansicht an, nach der eine Nutzungsausfallentschädigung auf der Grundlage der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit mit monatlich 1 % des Listenpreises des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung anzusetzen ist.

Nachstehend Auszüge aus den Urteilsgründen:

„Die Vereinbarung des Widerrufsvorbehalts weicht von Rechtsvorschriften ab, § 307 Abs. 3 BGB. Die Überlassung eines Firmenwagens auch zur privaten Nutzung stellt einen geldwerten Vorteil und Sachbezug dar. Sie ist steuer- und abgabenpflichtiger Teil des geschuldeten Arbeitsentgelts und damit Teil der Arbeitsvergütung. Die Gebrauchsüberlassung ist regelmäßig zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung ... Sie ist so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber Arbeitsentgelt leisten muss ....

Diese Rechtslage wird durch das vertraglich vereinbarte Widerrufsrecht geändert, denn ohne den Widerrufsvorbehalt ist der Arbeitgeber nach § 611 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses die vereinbarte Privatnutzung eines Dienstwagens zu ermöglichen. ....

Der Widerrufsvorbehalt ist nicht aus formellen Gründen unwirksam. Ein Widerrufsvorbehalt muss den formellen Anforderungen von § 308 Nr. 4 BGB gerecht werden. Bei den Widerrufsgründen muss zumindest die Richtung angegeben werden, aus der der Widerruf möglich sein soll, z.B. wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers ... Diesem Transparenzgebot wird die Widerrufsklausel gerecht; denn hiernach ist ausdrücklich klargestellt, dass der Arbeitnehmer im Falle einer Freistellung mit dem Entzug der Privatnutzung rechnen muss.

Die Widerrufsklausel ist materiell wirksam. .... Der Widerruf der privaten Nutzung eines Dienstwagens im Zusammenhang mit einer (wirksamen) Freistellung des Arbeitnehmers ist zumutbar. Der Arbeitnehmer muss bis zum Kündigungstermin keine Arbeitsleistung erbringen, insbesondere entfallen Dienstfahrten mit dem PKW. ... Der Entzug der Privatnutzung des Dienstwagens bedarf keiner Änderungskündigung, wenn durch den Wegfall der privaten Nutzungsmöglichkeit das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Arbeitsverhältnis nicht grundlegend berührt ist. Das ist der Fall, wenn weniger als 25 % des regelmäßigen Verdienstes betroffen sind.

Ist das Herausgabeverlangen des Arbeitgebers zulässig, ist keine Entschädigung für den Entzug der privaten Nutzung zu zahlen. ...

Die Beklagte hat das Widerrufsrecht im Streitfall nicht wirksam ausgeübt und damit eine gegenüber der Klägerin bestehende Vertragspflicht verletzt. Neben der Inhaltskontrolle der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Widerrufsklausel steht die Ausübungskontrolle im Einzelfall gemäß § 315 BGB, denn die Erklärung des Widerrufs stellt eine Bestimmung der Leistung durch den Arbeitgeber nach § 315 Abs. 1 BGB dar. Der Widerruf muss im Einzelfall billigem Ermessen entsprechen ...

Ausgehend von den vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen hat die Beklagte ihr Widerrufsrecht im Streitfall unbillig ausgeübt. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht im Rahmen der Gesamtbewertung der beiderseitigen Interessen ein überwiegendes Interesse der Klägerin, das Fahrzeug bis zum Ende des Monats Juni 2009 nutzen zu dürfen, bejaht. Über den Umstand hinaus, dass die Beklagte einen Dienstwagen generell nur ihren Außendienstmitarbeitern vorrangig zum Besuch bei Kundenunternehmen zur Verfügung stellt, hat diese keine Gründe vorgetragen, warum sie unmittelbar nach der Eigenkündigung der Klägerin das Fahrzeug zurückgefordert hat. .... Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht zutreffend die steuerrechtliche Lage berücksichtigt. Hiernach war die Klägerin gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG verpflichtet, die private ... Nutzung für den gesamten Monat .... 2009 zu versteuern, obwohl sie über diese Nutzung für .... Tage nicht mehr verfügen konnte. Damit führte der Entzug des Pkw nicht nur zum Nutzungsausfall, sondern darüber hinaus zu einer spürbaren Minderung ihres Nettoeinkommens. Im Ergebnis hatte ihre Eigenkündigung die Kürzung der laufenden Bezüge zur Folge. Das Interesse der Klägerin, den von ihr versteuerten Vorteil auch real nutzen zu können, überwiegt das abstrakte Interesse der Beklagten am sofortigen Entzug des Dienstwagens.

Kommt der Arbeitgeber seiner Vertragspflicht, dem Arbeitnehmer die Nutzung des Dienstwagens zu Privatzwecken weiter zu ermöglichen, nicht nach, wird die Leistung wegen Zeitablaufs unmöglich, sodass der Arbeitgeber nach § 275 Abs. 1 BGB von der Leistungspflicht befreit wird. Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall nach § 280 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 283 Satz 1 BGB Anspruch auf Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens ....

Zur Berechnung ist eine Nutzungsausfallentschädigung auf der Grundlage der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit mit monatlich 1 % des Listenpreises des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung anerkannt ....“

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